Einleitung
Der Kulmbach-WalkEine Stadt. Ein Tag. Ein Walk.
Grünwehrbeck
Station 1 - 9.00 UhrGrünwehrbeck
Lablalust und Kuchenkunst
Parallel zur großen Hubknetmaschine arbeitet der etwas kleinere Spiralkneter. Darin pulsiert der Sauerteig für die Dinkelbrötchen - ohne Hefe und deshalb besonders für Allergiker geeignet. Der 29-Jährige legt Wert auf Handarbeit, Handwerk. „Alles, was bei uns hinter dem Tresen liegt, haben wir hier selbst hergestellt. Wir verwenden keine Teigrohlinge von irgendwoher.“
Die Zutaten stammen überwiegend aus dem Landkreis. Mehl aus Stadtsteinach und Eier aus Eichenbühl. „Die besten Rohstoffe sind für mich die aus der Region. Denn dann weiß ich auch wirklich, was in meinem Teig drin ist“, sagt der Grünwehrbeck. Selbst das Malz für die Anis-Brezen bezieht Sebastian Groß aus Kulmbach. „Anis-Brezen sind Saisongebäck. Die gibt es eigentlich nur vom 1. Oktober bis zum Ostersamstag bei uns.“
Jetzt im August produziert der Bäcker in der Weiherer Straße eine Woche lang die Kulmbacher Spezialität. Der Grund: Kulmbacher Ausnahmezustand, das Bierfest. Weil sich der Bäcker auf Zutaten aus der Region konzentriert, kann er nicht alle Produkte das ganze Jahr über anbieten. So wird der Erdbeerplunder zu etwas Besonderem, wenn ihn der Grünwehrbäck nur im Frühsommer backt.
In der Backstube wird’s lebhafter. Mittlerweile ist es drei Uhr. Lehrling Kay Zechel stößt dazu. Der 17-Jährige kommt bald ins zweite Lehrjahr. Warum er sich gerade für diesen Beruf entschieden hat? „Weil es Spaß macht und ich mich kreativ austoben kann.“ Und die Arbeitszeiten? „Die sind gut. Dann hat man wenigstens was vom Tag, wenn man in der Nacht arbeitet.“
Nicht nur lauter wird es, auch immer mehr Gerüche vermischen sich in der mehlbenetzten Luft. Der klassische Brötchenduft, Fruchtnoten, Kirsch und Zitrone. Aber auch Schinken, Oregano und Zwiebeln kommen zum Einsatz.
Immer wieder experimentiert Sebastian Groß und kreiert Neues. „Die Zwiebeln kommen in Kartoffelstangen. Als ich die Rezeptidee hatte, meinte meine Frau: Zu Kartoffeln gehört auch Majoran.“ Der Gewürzgeruch gesellt sich zu all den anderen. „Ich mag meinen Beruf, weil ich etwas herstelle, was jeder jeden Tag braucht: Grundnahrungsmittel.“
Der Dritte im Backstubenbunde ist Ralf Groß. Er hat den Grünwehrbeck 1989 gegründet und ist mittlerweile Obermeister der Kulmbacher Bäckerinnung. Vor 14 Jahren begann er seinem Sohn, Sebastian, das Bäckerhandwerk zu lehren. 2015 überreichte der Senior schließlich dem Junior das Chefzepter.
Jung und Alt sind ein eingespieltes Team. Die Handgriffe sitzen. Wie ein Uhrwerk wälzen die zwei im Akkord unzählige kleine Teigwürste und formen mit gekonntem Schwung Schleifen, die als Brezeln auf dem Blech landen. Die Handgriffe wiederholen sich. Auch die Kleidung der zwei Bäcker ist identisch. Ein weißes Schiffchen auf dem Kopf, die Bäckermütze, und eine schwarz-weiß karierte Hose.
Das Tempo steigt. Rund 2000 Brötchen backen die Handwerker in einer Nacht. Eines davon hält Ralf Groß in seiner Hand. „Was da drin ist, kommt alles aus Kulmbach, bis auf das Salz. Wir bezahlen unseren Landwirten einen gerechten Getreidepreis. Dann kostet ein Labla halt 35 Cent.“
Laut dem Innungsobermeister greifen trotzdem immer mehr Menschen lieber zu Billigsemmeln von Discountern. „Es geht mir nicht nur um die faire Bezahlung der Lieferanten. Ich kann es auch meinen Kunden gegenüber nicht verantworten, billigere Brötchen herzustellen. In denen sind Emulgatoren. Dadurch sind die Labla leichter verdaulich, was zu Diabetes Typ II führen kann.“
Die Sorgfalt und das Berufsethos des Kulmbacher Bäckers honoriert nicht jeder Konsument. Das Magazin „Der Feinschmecker“ wählte den Grünwehrbeck unter die 600 besten Bäcker Deutschlands.
Um halb vier greift Sebastian Groß zu einer Papiertüte und füllt sie mit frischen Backwaren. „Draußen ist Willi, der Taxifahrer. Er holt sich jeden Morgen als Erster seine Labla.“ Das Kleingeld klimpert leise. Die Öfen wummern. Der Bäckermeister kümmert sich um Süßes. Er verziert Schwarzbeer- und Johannisbeerkuchen mit Baiser.
Sebastians Vater zieht sekundenschnell einzeln die großen schwarzen Bleche mit goldbraun gefärbten Brötchen und Hörnchen aus dem Ofen. Voller Körpereinsatz. „Deshalb sieht man in den Fitnessstudios so wenige Bäcker“, sagt Ralf Groß. Pausen gibt es kaum in der Backstube.
Je früher der Morgen, desto emsiger werkeln die zwei Bäckermeister und der Lehrling. Die Brote sind dran. Der Teig wird geschlagen, gewuchtet, geformt. Das Bizepstraining des Bäckers.
Um halb sechs kommt Bernadette Moreno. Sie ist Bäckereifachverkäuferin. Die Untersteinacherin holt die frischen Brötchen und Hörnchen aus der Backstube und drapiert sie im Laden hinter der Theke. Um sechs muss alles verkaufsbereit sein.
Dann öffnet der Grünwehrbeck seine Pforte. Während die Kunden vorne im Laden ihr Frühstück holen, backen die Handwerker hinten in der Backstube die Brote. Kurz nach sechs machen die drei Bäcker aber dann doch mal Pause. Bis Mittag wird der Arbeitstag noch dauern. Ralf Groß beißt in sein Wurstbrötchen und schaut zu seinem Lehrling Kay: „So ist der Bäckeralltag. Hart aber ehrlich.“
Alter Friedhof
Station 2 - 10.00 UhrAlter Friedhof
Der Experte
Hexen, Werwölfe und Untote
Station 3 - 11.00 UhrHexen, Werwölfe und Untote
Bärs Bratwurstbude
Station 4 - 13.00 UhrBärs Bratwurstbude
Bayerisches Brauereimuseum
Station 5 - 14.00 UhrBayerisches Brauereimuseum
Biergeschichte(n)
Die Reise beginnt mit einem Ausflug in eine alte Fassmacherei. Der Beruf des Fassmachers - oder Büttners, wie der Oberfranke sagt - ist heute fast ausgestorben. Die Büttner stellten die Fässer zum Lagern des Bieres her. Damit der gute Gerstensaft aus den Holzfässern nicht verloren geht, versiegelten sie die Büttner von innen mit Fichtenharz.
Doch womit wurde das Bier gebraut? Hopfen, Malz, Wasser und Hefe. 500 Jahre Reinheitsgebot in Bayern, seit 1516. Eine echte Tradition. Und die hat sich bis heute nicht verändert.
Der Hopfen, die „Seele des Bieres“, verleiht dem Bier nicht nur eine feine Note, er tötet Keime ab und macht das Bier haltbar. Ein Bier zum Feierabend, um den ganzen Stress von Arbeit und Alltag zu vergessen? Tatsächlich ist die beruhigende Wirkung von Bier erwiesen. Auch das liegt am Hopfen.
Das Malz ist für die Fülle des Geschmacks verantwortlich und wird deshalb auch als der „Körper des Bieres“ bezeichnet. Der Mälzer gewinnt es klassisch aus Gerste - oder Weizen, für das Weißbier. Aber auch jede andere Getreidesorte ist für das Brauen geeignet. In Asien zum Beispiel brauen sie mit Hirse oder Reis. „Ohne Malz geht beim Brauen überhaupt nichts“, sagt Herold. Und ohne Wasser wäre das Ganze eine ziemlich trockene und staubige Angelegenheit. Die Hefe braucht es zur Gärung.
Bei all der Tradition wäre es doch naheliegend, dass das Bier aus Deutschland stammt. Doch falsch gedacht. Erfunden haben es nämlich die Sumerer aus Mesopotamien, Asien. Von den Kelten haben unsere Vorfahren, die alten Germanen, vermutlich das Bierbrauen gelernt. Im Jahr 1935 wurde bei Kasendorf in einem Fürstengrab eine keltische Bieramphore ausgegraben. Das Gefäß stammt aus der Zeit um 800 vor Christus und gilt als der älteste Nachweis von Bier auf deutschem Boden. „Natürlich sah die Amphore nicht so schön aus wie heute, als sie ausgegraben wurde. Sie war zerdeppert und Bier war leider auch keins mehr drin“, sagt Herold lachend.
Nur sechs Flaschen Bier auf einmal abfüllen? In modernen Großbetrieben kaum noch vorstellbar. Vor rund 100 Jahren war dies jedoch eine Spitzenleistung. Eine der ersten Flaschenabfüllmaschinen von 1920 steht heute im Bayerischen Brauereimuseum. Ebenso wie alte Kühlanlagen. An elektrische Kühlanlagen war damals noch nicht zu denken. Gekühlt wurde mit Eis. Das machte das Brauen im Sommer extrem schwierig.
Auch wenn heute alles etwas moderner abläuft und die Technik die Arbeit enorm erleichtert. Alles in Allem hat sich am Prozess des Bierbrauens und seinen Zutaten nichts verändert. Dank traditionellem Handwerk und dem Reinheitsgebot. Und davon dürft ihr euch am Ende der Führung selbst überzeugen. Mit einem frisch gezapften Museumsbier.
Hans-Dieter Herold (Museumsführer)Was ist das Besondere am Kulmbacher Brauereimuseum?
Eiscafé Sanremo
Station 6 - 16.00 UhrEiscafé Sanremo
Langgasse
Station 7 - 17.00 UhrLanggasse
Kommunbräu
Sation 8 - 18.30 UhrKommunbräu
Gut gemaischt ist halb gebraut
Abgetragene Latzhose, Zweitagebart, pragmatische Kurzhaarfrisur. Er produziert das, was Kulmbach einst berühmt gemacht hat: Bier.
Der Mann hievt schwere Säcke und kippt deren Inhalt in einen von zwei kupferfarbenen Bottichen. „Ich bin gerade am Einmaischen“, ruft Sven Etterichretz uns zu, als wir die schummrige Gaststube betreten, die noch einsam in der Morgendämmerung liegt. Nur das Sudhaus – ein kleiner, abgetrennter Bereich, in dem die beiden Bottiche stehen – ist hell erleuchtet. Hier findet der größte Teil des Brauprozesses statt.
Sven – er bietet uns sofort das Du an – ist 29 Jahre alt. Er braut heute das dunkle Bernstein-Bier. Seit einem Jahr darf er sich offiziell Brauer und Mälzer nennen. „Vorher war ich Drucker. Aber mal ehrlich: Darauf hatte ich nie wirklich Bock.“ Auf das Brauen dafür schon: „Mit zwanzig hab ich angefangen. Da hat mir jemand ein Brau-Kit geschenkt. Seitdem hat mich das Brauen nicht mehr losgelassen.“ Eine Lehre in der Kommunbräu folgte.
Sven schiebt den Deckel des rechten Kupferbottichs zu, den man im Brauer-Jargon Sudpfanne nennt. Das war’s mit dem Einmaischen, dem ersten Schritt des Brauens. Bei diesem mischt der Brauer Wasser mit Malz. Das Ergebnis nennt sich Maische.
Im Anschluss erhitzt er das Gemisch. Wenn der Sud eine Temperatur von 62 Grad Celsius erreicht hat, steht die erste Rast an. Das heißt, die Wasser-Malz-Mixtur wird für zehn Minuten auf dieser Temperatur gehalten. Zweck des Erhitzens und der Rast ist es, Malzstärke in Zucker umzuwandeln. Dafür sorgen Enzyme, wie die im Malz enthaltene Amylase.
Anschließend befeuert Sven den Sud auf 68 Grad. „Jungs, kommt mit! Ich nehme jetzt die Teilmaische!“ Ein aufdringlich süßer Malzgeruch hat in den letzten Minuten sämtliche Winkel der Gaststube geflutet. Der süßliche Teil von Bier ums Hundertfache potenziert – oder so. Sven legt Hebel um, drückt Knöpfe. Es zischt und faucht, feine Wasserfäden spritzen aus den Rohrverbindungen unter den Bottichen.
Teilmaische für Dummies: Der Brauer pumpt einen Teil der Mischung in den anderen Behälter, den sogenannten Läuterbottich. Ein Teil rastet, den in der Sudpfanne verbliebenen Teil erhitzt Sven noch weiter. Nachdem er die beiden wieder zusammengeführt hat, beträgt die Temperatur des resultierenden Suds 72 Grad – „zumindest, wenn wir alles richtig gemacht haben.“ Die Teilmaische dient dazu, Stärkemoleküle zu spalten. Das macht nicht jede Brauerei: „Das gehört bei uns zur Philosophie des Chefs“, erklärt Sven. „Manche glauben, dass sich das auf den Geschmack auswirkt.“
Rast Nummer zwei steht an. „Man braucht ja schließlich Zeit, um zwischendurch mal eins zu trinken.“ Noch einmal kurz aufheizen, dann geht es ans Abmaischen. Sven befördert die Maische aus der Sudpfanne in den Läuterbottich, wo er die Malzreste von der Flüssigkeit trennt. Diesen Vorgang nennt man Läutern. „Wir Brauer haben eben für alles eigene Namen.“ So auch für das Produkt, das nach dem Läutern übrigbleibt: Die Würze, die wie warmes Malzbier schmeckt. Kein Wunder: Der Hopfen fehlt noch. Der Brauer gibt ihn hinzu, während er die Würze erhitzt. Dabei bekommt das Bier seine bittere Note.
Inzwischen ist es 13 Uhr. Sechs Stunden sind vergangen, seit Sven den ersten Sack Malz in die Sudpfanne gekippt hat. Nun ist es fast vollbracht. Versprochen. Aber das Wichtigste fehlt noch: Der Alkohol. „Und den wollen wir doch alle.“ Deshalb füllt Sven die Würze in einen Gärbottich und führt Hefe zu.
Die Gärung beginnt. Zucker wird zu Alkohol. In der Regel dauert der Prozess fünf bis sieben Tage. „Und dann haben wir ein ehrliches Bier.“ Die Ehrlichkeit ist es, mit der sich die Kommunbräu von den Großen im Business abhebt: Nach der Gärung ist Schicht. Keine Filtration, keine Wärmebehandlung.
Sven greift sich einen neuen Sack Malz, hievt ihn auf die Schulter. Und zweimal täglich grüßt das Murmeltier.